Weihnachten ist mörderisch, vor allem in den USA. Hier liebt man den gnadenlosen Thrill der überfüllten Shopping Malls, den bis aufs Messer ausgefochtenen Kampf ums letzte Truthahnstück, Neid und Eifersucht beim Geschenke-Auspacken unterm gallegrünen Weihnachtsbaum. Da würde sicher gerne mancher Amok laufen. Aber gemordet, wirklich gemordet wird am Fest der Liebe, das ja schließlich einer Geburt gedenkt, eigentlich nirgendwo. Außer im Film vielleicht, wie in Tödliche Weihnachten mit Samuel L. Jackson oder Gina Davis oder in Wild Christmas von John Frankenheimer. Was also treibt einen ausgemachten Thriller-Spezialisten wie den US-amerikanischen Bestseller-Autor John Grisham dazu, sich ausgerechnet dem schneeweißlich überzuckerten Familienidyll zu verschreiben? Ganz offensichtlich wohl der Umstand, dass dieses fragile Idyll, nicht nur in Amerika, jederzeit in wenn schon nicht tödliche, so doch zumindest grausame Zwistigkeiten ausarten kann. In Das Fest erfährt das die Familie Krank, deren Oberhaupt nach der Eröffnung von Tochter Blair, dieses Jahr in der Fremde zu weilen, ihre Chance gekommen sieht, den überaus hohen Ausgaben für Geschenke sowie für Häuserschmückung und -beleuchtung (!) von über 6.000 Dollar zu entgehen und stattdessen mit seiner Frau eine Reise in karibische Gefilde zu unternehmen. Aber die Flucht vor dem Fest (Skipping Christmas lautet der treffende Originaltitel) gestaltet sich schwieriger als erwartet: Tatsächlich hat man die Rechnung ohne die lieben Nachbarn gemacht, die den Preis für die am festlichsten geschmückte Straße gewinnen wollen. Und dann meldet sich zu allem Überfluss auch noch überraschend Blair zurück. Bei der Titelübersetzung des neuen Grisham hat sich der Heyne-Verlag, wohl aus marktstrategischen Erwägungen, bewusst an spannenden Verkaufserfolgen wie Die Farm oder Die Jury gehalten: Auf diese Weise sollen Fans offenbar zu einem Kaufrausch animiert werden, den der Inhalt dieses Romans gerade kritisiert. Aber damit werden falsche Erwartungen geweckt, die nur enttäuscht werden können. Denn Das Fest ist kein packender Thriller, sondern ein teils überaus vergnüglich (und immer leicht) zu lesendes Buch nicht zuletzt über die psychologischen Zwänge einer Gemeinschaft zur Weihnachtszeit. Allein deshalb ist es typisch für Grisham. –Thomas Köster
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.