Buchnotiz zu : Die Zeit, 20.02.2003John Rawls‘ Denkansatz in Sachen Völkerrecht, so der Rezensent Robert Leicht, liegen zwei Grundannahmen zugrunde. Zum einen setze Rawls nicht bei den Staaten, sondern bei den Völkern an. Dies scheine zwar eine Selbstverständlichkeit zu sein, stelle jedoch insofern eine „semantische Verschiebung“ dar, als die Staaten zur „unvermeidliche Verbandsform der Völker“ würden und daher nur „falsche Souveränitäts- und Stabilitätsansprüche“ verkörpern könnten. Mit diesem Schritt, so Leicht, überträgt Rawls seine „innere Gesellschaftstheorie“ nach außen und „transponiert“ den „Gesellschaftsvertrag“ in einen „Weltgesellschaftsvertrag“. Die zweite Grundannahme betreffe die menschliche Natur und gehe vom Menschen als „grundsätzlich vernünftigem und moralischem Wesen“ aus – „als Individuum“ wie „im Kollektiv“. Hier regen sich erste Zweifel beim Rezensenten, denn letztlich macht diese Annahme aus dem „Recht der Völker“ ein „Recht der vernünftigen Völker“, meint er. Auch stellt sich für den Rezensenten die Frage, wem das unvermeidliche Gewaltmonopol des Staates im Falle der Weltgesellschaft zufallen würde. Leichts Versuch, Rawls‘ Theorie am praktischen Beispiel des Irak-Konflikts zu messen, ergibt, dass sie zu den gleichen Ergebnissen führt wie das moderne Völkerrecht. Der schwerwiegendste Einwand allerdings betrifft Rawls‘ Grundannahmen, die allzu sehr dem dienten, was er zu beweisen hoffe.© Perlentaucher Medien GmbH